Die Generäle in der Türkei haben eine Warnung erlassen, dass sie am laizistischen Ideal der Türkei festhalten und keine Islamisierung dulden wollen. Das hat den Erweiterungskommissar der EU, Olli Rehn, bewogen, die Generäle scharf zu kritisieren und sie aufzufordern, die Demokratie der gewählten Regierung zu überlassen.

Das ist eine etwas naive Haltung. Sie Situation ist in Wirklichkeit unverhältnismässig viel komplexer, als es der Herr Kommissar wahrhaben will.

Wie sollte unsereiner Partei für Militärs ergreifen können, die behaupten, die Demokratie, den laizistischen Staat, die Zivilgesellschaft zu verteidigen? Es ist unmöglich. Demokratische Generäle sind ein Widerspruch sui generis, ein Ding der Unmöglichkeit.

Andererseits stossen die Generäle einen Riegel gegen die zunehmende Islamisierung der Türkei vor, wofür die EU den Herren Generälen eigentlich dankbar sein müsste. Sie ersparen der EU unter Umständen eine Menge Probleme.

Die westliche Einstellung zu den türkischen Generälen ist also mehr als ambivalent. Man kann ihnen nicht trauen, weil man es nicht kann und niemals darf – und muss ihnen doch dankbar dafür sein, was sie tun. Eine einfache Einstellung in dieser Frage ist unmöglich.

Das Mindeste, was zu tun ist, würde darin bestehen, den bestehenden Zwiespalt offen zuzugeben.

In den gleichen Widerspruch zwischen kurzfristigem Ideal und langfristiger Wirklichkeit gerät der vereinigte Westen erneut, wenn er die Palästinenser auffordert, demokratische Wahlen abzuhalten, sich aber weigert, mit der Hamas Gespräche zu führen, wenn sie diese Wahlen gewonnen hat, und sie als Terrororganisation bezeichnet oder von ihr verlangt, sich vom Terror zu distanzieren.

Das ist keine überzeugende, sondern eine ganz und gar heuchlerische Haltung, die dazu beiträgt, dass die Hamas Zulauf erhält, über den sich der Westen hinterher wundert. Auf diese Weise wird die Demokratie zu einem willkürlichen Hilfsmittel für die Durchsetzung von Ergebnisse im Dienst der bestehenden Interessen degradiert. Offen bleibt dabei die Frage, ob es als Terror bezeichnet werden kann, wenn die Hamas gegen die fortgesetzte israelische Besiedlung des Palästinenserlands kämpft beziehungsweise Anspruch erhebt, in einem eigenen Staat mit gesicherten Grenzen zu leben, wie Israel dies für sich verlangt.

Mit ihrem theokratischen Vorstellungen ist die Hamas alles andere als demokratisch. Sie benützt also das Mittel der Demokratie, um diese auszuschalten.

Das kann nicht in der Absicht der Demokratie-Forderung liegen. Der Westen setzt sich auf diese Weise selbst in eine Falle, aus der er später den Weg hinaus nur schwer finden kann.

Am Ende wäre es ratsam, ohne viele und vor allem ohne grosse Worte mit der Hamas Gespräche zu führen und so beizutragen, dass sie nicht ins Abseits gedrängt wird. Der Verhandlungstisch ist doch sonst bei jeder Gelegenheit ein ideales politisches Möbelstück.

Nachbemerkung: Die Hamas geniesst nicht meine Sympathie, aber darauf kommt es nicht an. Sie ist von der palästinensischen Bevölkerung demokratisch einwandfrei gewählt worden. Dem Westen und Israel passt das Ergebnis aber nicht. Sie erwarten "korrekte", das heisst in den Kram passende Wahlresultate.

Jahrelang wollten weder die USA noch Israel mit der Fatah verhandeln, weil es sich dabei um eine sog. terroristische Organisation handelt. Jetzt erscheint die Fatah als Retterin in der Not – zumindest als akzeptabler Gesprächsparter. Sie ist heute das kleinere Übel.

Dass jetzt die USA und israelische Regierung die Hamas auch noch durch Mahmud Abbas absetzen lassen wollen und in Aussicht stellen, den palästinensischen Präsidenten zu unterstützen, lässt auf ein mehr als seltsames Demokratieverständnis schliessen. Sollte es Schule machen... nicht auszudenken.

Der israelische Premier Ehud Olmert will jetzt, unter dem Druck der Ereignisse, mit Abbas erneut über einen eigenen Palästinenserstaat sprechen. Aber kein Wort, wie dieser Staat aussehen könnte und müsste, vor allem, wenn man eine kleine Ahnung hat, wie die von Israel eingerichteten Verhältnisse in Cis-Jordanien die palästinensische Bevölkerung einschränken.

Ein eigener Palästinenserstaat würde bedingen, dass sich Israel aus einem grossen Teil der besetzten Gebiete zurückzieht.