Das Magazin „Der Spiegel“ spricht in seiner Ausgabe Nr. 22/2007 von einem „Kreuzzug der neuen Atheisten“. „Kreuzzug“ ist ein hässliches Wort, das Fanatismus unterstellt.
Tatsache ist aber eher, dass auf die „Rückkehr der Religionen“ jetzt eine Gegenbewegung folgt und die Atheisten, ein unorganisierter Haufen Andersdenkender, beginnt, sich zu formieren. Ihnen Intoleranz vorzuwerfen, weil sie ihre Meinung vertreten, die sich gegen die Religiösen richtet, ist allzu simpel. Eine Auseinandersetzung darf/kann/soll stattfinden, was jedoch nicht ausschließt, dass es „Grenzen der Toleranz“ (Michel Onfray) gibt.
Von Atheisten zu sprechen, ist ebenfalls eine Vereinfachung. Woran glaubt, wer nicht an Gott glaubt? Die Naturwissenschaften oder die Vernunft sind keine Erklärung oder kein Ersatz für das, was sich jeder Fassbarkeit entzieht. Ob es einen Gott gibt, ist ungewiss – eine Glaubenssache. Die Natur hat sich seit 14 Millionen Jahren entwickelt, und niemand kann sagen, warum es so ist und was dahinter steckt. Aber ein Spaziergang in einem Wald, die Aussicht von einem Berg oder die Missa Solemnis von Beethoven können vieles erträglich machen. An Stelle Gottes würde es passen, eine poetische Formel zu setzen: das Schöne, Wunderbare, Einmalige, Ergreifende, auch wenn es für jeden und jede etwas anderes bedeutet.
Ohne Gott sei alles erlaubt, hat Dostojewski gesagt. Dem hält Michel Onfray, Autor des Buchs „Wir brauchen keinen Gott“, entgegen: „Weil Gott existiert, ist alles erlaubt.“ Gerade im Namen Gottes werden die scheusslichsten Schandtaten vollbracht.
Die Religionsführer haben bisher die Angst der Menschen vor ihrer Endlichkeit missbraucht, um ihre Herrschaft zu festigen. Das ist ein eklatanter Missbrauch.
Wir müssen gegen Blaise Pascal lernen, mit dem Offenen, Unfertigen, Unabgeschlossenen, Unbeantwortbaren zu leben und den Schrecken vor den „leeren Räumen“ auszuhalten. Das ist eine Lebensaufgabe. Gegen Ende seines Buchs „Die ersten drei Minuten“ schrieb der amerikanische Physiker Steven Weinberg: „Das Bestreben, das Universum zu verstehen, hebt das menschliche Leben ein wenig über die Farce hinaus und verleiht ihm einen Hauch von tragischer Würde.“
An dieser "tragischen Würde“ liegt alles. Sie ist Ausdruck der Selbstbehauptung des Menschen und kommt ohne Gott aus. Es ist eine Haltung, die vor Fatalismus wie vor Fanatismus bewahrt.